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Aus: Ausgabe vom 15.05.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Agro, Chemie, Pharma

Alles hängt am Glyphosat

Bayer-Quartalszahlen: Preise für Herbizid gefallen. Minus trotz Jobvernichtung. Gesetzesinitiative soll Klagen in USA ein Ende bereiten
Von Jan Pehrke
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Der Leverkusener Konzern sieht sich immer noch mit 57.000 Klagen von Glyphosat-Geschädigten konfrontiert (Glyphosat-Ausbringung in Brasilien)

Am Dienstag legte der ­Bayer-Konzern die Geschäftsbilanz für das erste Quartal des Jahres vor. Der Umsatz sank um 0,6 Prozent auf 13,7 Milliarden Euro, das Ergebnis fiel von 2,17 Milliarden Euro auf glatte zwei Milliarden Euro. Der Vorstandsvorsitzende Bill Anderson sah darin bereits einen Erfolg. »Erst im März habe ich Handlungsbedarf an vier Stellen angesprochen (…) Zwei Monate später haben wir überall Fortschritte erzielt«, erklärte der US-Amerikaner. Er hatte beim Leverkusener Multi ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm implementiert, »das neue Organisationsmodell Dynamic Shared Ownership (DSO)«, und nannte stolz erstmals konkrete Zahlen. »Allein im ersten Quartal haben wir 1.500 Stellen abgebaut, rund zwei Drittel davon auf Managementebenen«, so der Bayer-Chef.

Das Umsatzminus geht zum größten Teil auf gesunkene Glyphosatpreise zurück. Den Gewinn verhagelten vor allem gestiegene Zinsen – die Schulden des Unternehmens belaufen sich auf 37,5 Milliarden Euro – und »Hyperinflationseffekte v. a. in Argentinien«. Weil im ersten Vierteljahr 2024 weniger Produkthaftungszahlungen für Schäden durch die Chemikalien »Glyphosat«, »PCB«, »Dicamba« und »Essure« anfielen, verfügt der Global Player wieder über mehr Barmittel.

Die Aktiengesellschaft sieht sich laut Quartalsbericht mit noch immer 57.000 Klagen von Glyphosat-Geschädigten konfrontiert. Sie hat allerdings Maßnahmen eingeleitet, um die finanziellen Belastungen zu minimieren. So berief Bayer mit Lori Schechter eine Juristin in den Aufsichtsrat, die für das Pharmaunternehmen McKesson erfolgreich Schadensbegrenzung in der Opioidkrise betrieben hatte. Zudem prüft der Leverkusener Multi Medienberichten zufolge den Vorschlag von Schechters neuem Aufsichtsratskollegen Jeffrey Ubben, sich hohen Prozesskosten durch das Anmelden einer Teilinsolvenz im Bundesstaat Texas zu entziehen. Das Firmenrecht dort erlaubt eine solche Operation, in Konzernkreisen ist sie als »Texas Two-Step« bekannt.

Damit nicht genug, entfaltet der Agroriese auch legislative Aktivitäten. Er will in den USA ein Gesetz lancieren, das die Einstufung von Glyphosat als nicht krebserregend durch die staatliche Umweltbehörde EPA für bindend für die Gerichte in den einzelnen Bundesstaaten erklärt und auf diese Weise zukünftig Urteile zu seinen Ungunsten abwenden. Mehr als 80 Landwirtschaftsverbände haben Anderson & Co. dafür als Vorfeldorganisationen schon gewinnen können. »Wir wollen, dass die Gesetzgeber die Stimme der amerikanischen Landwirte hören«, merkte der Vorstandsvorsitzende am Dienstag in seiner Rede dazu scheinheilig an. Es gehe darum, »dass die US-Landwirtschaft durch wissenschaftlich fundierte Gesetze reguliert wird – und nicht durch die Klägerindustrie«.

Die Arbeit an der Lex Bayer fraß 2023 den größten Teil des 7,35 Millionen Dollar schweren Lobbyetats für die USA auf, wie Finanzvorstand Wolfgang Nickl der Coordination gegen Bayer-Gefahren am 26. April auf der Hauptversammlung des Konzerns mitteilte. Probleme mit solchen Investments hatte Nickl nicht. »Gesetzgebung und Politik prägen die Rahmenbedingungen unseres Geschäfts. Als global agierendes Unternehmen haben wir eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, aktiv unsere Fähigkeiten und Kenntnisse zur Verfügung zu stellen und politische Entscheidungsprozesse mit unseren Experten zu unterstützen«, hielt er fest.

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